Die Verkehrsminister von Bund und Ländern haben bei ihrer Tagung in Köln am 11. und 12. Oktober 2023 keine Einigung über die Finanzierung des Deutschlandstickets erreicht. Das sollen jetzt die Regierungschef*innen der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. November schaffen. Die Einigung des 49-Euro-Tickets könnte bei jeweils 1,5 Milliarden Euro von Bund und Ländern liegen. Doch das allein reicht für die Konsolidierung laut ver.di und Fridays für Future für den dringend benötigten Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) für eine echte Verkehrswende nicht.
Bereits am Tag vor der Verkehrsministerkonferenz hatte ver.di zusammen mit zahlreichen Betriebsrät*innen aus dem ganzen Bundesgebiet in Berlin deutlich gemacht, dass die Beschäftigten der Verkehrsunternehmen in den Kommunen schon heute Berge von Überstunden vor sich herschieben und durch die ständige Überlastung eine sehr hohen Krankheitsstand haben. Damit ist die Zuverlässigkeit des Angebots nicht aufrecht zu erhalten. „Durch den gravierenden Personalmangel ist die Verkehrswende mangels Finanzierungsperspektive in Gefahr“, hieß es bei der Pressekonferenz in der ver.di-Bundesverwaltung.
Haben bisher die Einnahmen aus dem Ticketverkauf etwa die Hälfte der Kosten für den ÖPNV gedeckt, ist das mit dem Deutschlandticket nicht mehr möglich, erklärte Christine Behle, für den ÖPNV zuständiges ver.di-Bundesvorstandsmitglied. Auch die bisher geübte Querfinanzierung durch die Stadtwerke funktioniere nicht mehr. Dabei unterstützen ver.di und FFF das Deutschlandticket durchaus, verlangen aber eine bedarfsgerechte Finanzierung.
Mit der vor Jahren durch Sparen auf Verschleiß gefahrenen Verkehrsinfrastruktur und dem abgebauten Personal sei kein ausreichendes Angebot möglich, vor allem auch nicht im ländlichen Raum, um bei dem gegenwärtigen Pkw-Höchststand von 48,7 Millionen Autos eine Trendwende zu erreichen. Ein Pakt für mehr Personal mit Bund und Ländern sei notwendig, denn die Kommunen allein könnten die erforderlichen Ausgaben nicht stemmen.
Pakt für mehr Personal
Der Pakt für mehr Personal müsse mit attraktiveren Gehalts- und Arbeitsbedingungen einhergehen, da der Konkurrenzkampf um Arbeitskräfte wachse und Deutschland für ausländische Fachkräfte nicht unbedingt die erste Adresse sei. Von den 85.000 Beschäftigten im Fahrdienst, 38.000 im technischen Dienst und 29.000 in der Verwaltung der kommunalen Verkehrsunternehmen gehen bis 2030 rund 50 Prozent als „Baby-Boomer“ in Rente, warnte Behle. „Wer Verkehrs- und Klimawende will, muss Geld in die Hand nehmen“, sagte der Betriebsratsvorsitzende der Kölner Verkehrsbetriebe, Marco Steinborn.
„Wir erleben sei Jahren, dass die Politik nicht handelt“, bedauerte Debora Roschka von Fridays for Future. „Für uns bei FFF ist völlig klar, dass eine erfolgreiche und soziale Verkehrswende nur mit guten Arbeitsbedingungen möglich ist. Der Nahverkehr wurde viel zu lange kaputtgespart.“ „Wenn im Januar 2024 die ÖPNV-Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen verhandeln, dann werden wir auch mit ihnen streiken“, erklärte Roschka für FFF in Berlin.
Petition für den Ausbau
FFF sammelt Unterschriften für eine Petition, damit Bund und Länder ihr Versprechen einer Verdopplung des ÖPNV bis 2030 verwirklichen. FFF hat allein am 15. September 2023 beim Klima-Streik 21.000 Unterzeichnende verzeichnet. Hat eine Petition mindestens 50.000 Unterschriften erreicht, muss sie im Petitionsausschuss des Bundestags öffentlich behandelt werden. Wollten Bund und Länder ihr Ziel einer Verdopplung bis 2030 noch erreichen, würden ab 2024 mindestens 16 Milliarden Euro mehr pro Jahr für den ÖPNV benötigt.
Auch am ersten Tag der Konferenz der Verkehrsminister*innen in Köln haben ver.di und Bündnispartner in Köln Flagge gezeigt für den Ausbau des ÖPNV. Gemeinsam mit weiteren NGOs und Studierenden aus NRW begleiteten sie die Tagung mit Protestaktionen. Fridays for Future Köln erklärte: „Die Blockadehaltung der gesamten Bundesregierung gefährdet die Zukunft des Deutschland- und Semestertickets. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie sie die Zukunft des Nahverkehrs an die Wand fahren und gemeinsam mit den ÖPNV-Beschäftigten, den Studierenden und Fahrgästen Druck machen für soziale und klimafreundliche Mobilität. Wenn nötig, auch durch Klimastreiks.“
Susanne Stracke-Neumann
Mehr Informationen und zur Petition: https://www.wir-fahren-zusammen.de/
Diese Allianz von ver.di und FFF hatte es bereits 2020 gegeben. Dazu ist im VSA-Verlag der Band "Fahren wir zusammen?" erschienen. Siehe dazu Industrie-Report/mti-Info Oktober 2023, Seite 6.