Viele Beschäftigte arbeiten im Homeoffice und kommunizieren vor allem per Mail oder Videokonferenz: Da kann der Betriebsrat sie schlecht auf klassischem Weg mit Sprechstunden, Schwarzen Brettern oder Flugblättern erreichen. Umso wichtiger, dass die Interessensvertretung auch neue Medien nutzen kann. Die geltende Rechtslage räumt solche „digitalen Zugangsrechte“ bereits ein, erklärt der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler in einem aktuellen Rechtsgutachten für das Hugo-Sinzheimer-Institut der Hans-Böckler-Stiftung. Allerdings verweigern ihnen einige Unternehmen, das Intranet oder die betrieblichen Mailadressen dafür zu nutzen. Deshalb hält der Rechtswissenschaftler es für sinnvoll, zur Klarstellung beizutragen und ein digitales Zugangsrecht gesetzlich festzuschreiben.
In seinem Gutachten betont der Rechtswissenschaftler der Universität Bremen, dass Arbeitnehmervertreter auch im digitalen Betrieb den Anspruch auf Informationsaustausch und Präsenz haben. Grundsätzlich stehe nicht nur Betriebsräten, sondern auch Gewerkschaften das Recht zu, am Arbeitsplatz mit Beschäftigten in Kontakt zu treten. Das habe die Rechtsprechung wiederholt bestätigt, betont Däubler. Die Begründung: Ohne ein solches Zugangsrecht seien bestimmte Aufgaben wie das Initiieren von Betriebsratswahlen oder die Beratung von Betriebsräten gar nicht zu bewerkstelligen. Zudem erfordere das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit, im Betrieb über gewerkschaftliche Arbeit und Ziele zu informieren und neue Mitglieder zu gewinnen.
Doch durch den digitalen Fortschritt drohe vielen bewährten Kommunikationskanälen ein Bedeutungsverlust. Besonders gravierend sei das Problem bei permanentem Homeoffice oder in der Plattformökonomie: Wer ausschließlich zu Hause arbeitet, habe wenig Gelegenheit, eine Betriebsratssprechstunde wahrzunehmen. Bei Crowdworkern oder Essenslieferanten, denen online Aufträge vermittelt werden, gebe es überhaupt keine Betriebsräume, die Gewerkschafter aufsuchen könnten. „Ohne ein Ausweichen auf digitale Kommunikation käme die Betriebsratsarbeit und erst recht die gewerkschaftliche Arbeit völlig zum Erliegen“, sagt Däubler. Gerichtlich bestätigt sei, dass Betriebsräte die Belegschaft per dienstlicher Mail anschreiben dürfen und Anspruch auf einen eigenen Auftritt im Intranet haben.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht hat auch jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft das Recht, sich per Mail an die Belegschaft zu wenden – zumal dadurch weder betriebliche Kapazitäten blockiert noch Arbeitsabläufe gestört werden, so der Arbeitsrechtler. Die Weitergabe der Mailadressen sei mit dem Datenschutz vereinbar, weil Gewerkschaften oft keine andere Möglichkeit hätten, mit den Beschäftigten in Kontakt zu treten.
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