Der D21-Index soll die Wirkung der Digitalisierung vermessen, erklärte der Präsident der Initiative D21, Marc Reinhardt, der zur Diskussion des Digital-Indexes 2023/24 die Gäste nicht im Wirtschaftsministerium, sondern in der Hauptstadtrepräsentanz des Hauptsponsors Deutsche Telekom begrüßte.
Laut Fritz-Uwe Hofmann von der Telekom, stehe inzwischen nicht mehr der Netzausbau im Vordergrund, sondern die Nutzung des Netzes. Er forderte eine stärkere Auseinandersetzung aller Gesellschaftsschichten mit Künstlicher Intelligenz (KI), denn Einsatzmöglichkeiten gebe es praktisch überall, beim Bürokratieabbau, in Schulen oder Krankenhäusern beispielsweise. KI könne jedoch auch eine Gefahr für die Demokratie sein.
Deshalb widmete sich der erste Teil der Veranstaltung der Frage „KI und Ethik – Wie stellen wir sicher, dass Fortschritt immer auch verantwortungsvoll geschieht?
Jens Redmer, Google, kam direkt von der Münchener Sicherheitskonferenz zur Veranstaltung. In seiner Keynote „Big Tech zu unternehmerischer Verantwortung im Zeitalter von KI“ erläuterte er die Vorgehensweise bei Google, wo Entwicklungsteams und Prinzipienteams die Balance finden müssen. Google hat zu KI eine Richtlinie und Negativliste erstellt. In 80 Ländern finden dieses Jahr Wahlen statt, deshalb arbeitet Google mit KI-Anwendung an Filtern zum Erkennen von Fake News.
Das Thema Cyber-Security werde immer wichtiger, man beobachte eine zunehmende Professionalisierung und eine Vermischung von Wirtschaftskriminalität und Regierungskriminalität. Auch hier sollen mit KI die richtigen Tools zur Abwehr gefunden werden. Außerdem wurde auf der Münchener Sicherheitskonferenz von den IT-Unternehmen eine freiwillige Selbstverpflichtung in Bezug auf die Anwendung von KI vereinbart.
"Turbokapitalismus" mit grünem Strom?
Um Gerechtigkeit ging es bei dem Vortrag „CO2-neutral und trotzdem ungerecht? Wie die faire digitale Transformation gelingt“ von Stephan Ramesohl vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Er forderte dass Rechenzentren klimaneutral sein müssen und stellte die Frage, ob es recht sei, mit grünem Strom „Turbokapitalismus“ zu betreiben. KI werde von Menschen für Menschen gemacht, und nicht um Menschen mit KI zu regulieren. Er forderte daher unternehmerische Verantwortung und Selbstbeschränkung. Die Digitalisierung müsse nachhaltig, fair und zukunftsfähig sein mit einem handlungsfähigen Staat als Regulativ. Dafür brauche ein gemeinsames Leitbild für die digitale Transformation.
Anna Christmann, die Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt und Beauftragte des Bundeswirtschafts- und Klimaministeriums für die Digitale Wirtschaft und Start-ups, betonte in ihrem Beitrag: „Die Politik im KI-Wettrennen – Innovation und Regulierung in Einklang bringen“, dass KI zum Wohle von Mensch und Umwelt einzusetzen sei. Auf europäischer Ebene wurden daher verlässliche Regeln und Rahmenbedingungen zur Überwachung verabschiedet. Man brauche den europäischen Standort, sonst verliere man Einfluss. Daher wurde für KI im Wachstumsfonds Deutschland eine Milliarde Euro vorgesehen. Auch die Vereinten Nationen hätten die Relevanz von KI erkannt und arbeiteten an einer Regulierung.
Akzeptanz zurückgegangen
In einer Diskussionsrunde mit der grünen Abgeordneten Christmann, Iris Plöger aus der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und Matthias Spielkamp, Geschäftsführer von AlgorithmWatch, wurde vor allem die Frage der politischen Rahmenbedingungen erörtert. Plöger bedauerte, dass die Akzeptanz von KI zurückgegangen sei. Kritik übte sie in Fragen der Digitalisierung auch an der Verwaltung und dem Gesundheitssystem. Die Versorgungsprobleme bei Halbleitern gefährdeten Arbeitsplätze in Deutschland. Wenn man bei KI nicht in Abhängigkeit geraten wolle, müsse eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung und KI in Europa voranschreiten.
Spielkamp stellte anhand einer von KI produzierten Fake News über Christmann die Unzuverlässigkeit von generativen Tools vor. Für den Einsatz bei Katastrophenschutz oder dem Kampf gegen den Klimawandel sei ein Problem die zu geringe Verfügbarkeit der Daten.
Christmann räumte ein, dass das Zurückholen von Technologien wie Chipfabriken teuer sei, eine ähnliche Abwanderung dürfe bei KI nicht passieren. Dafür, so Christmann, seien europäische Lösungen notwendig.
D21-Digital-Index: Ergebnisse
Im zweiten Teil stellte Lena-Sophie Müller, Geschäftsführerin der Initiative D21, in ihrer Keynote „Resilienz im digitalen Wandel“ die Ergebnisse des D21-Digital-Indexes vor. 61 Prozent der Bürger*innen seien für den digitalen Wandel gewappnet. Das sind allerdings drei Prozent weniger als im Vorjahr. Und nur 50 Prozent verfügen über alle fünf digitale Basiskompetenzen: Fotos und Videos mit dem Smartphone versenden, Informationen online finden, Textprogramme nutzen, Smartphone-Funktionen anpassen und starke Passwörter verwenden (Digital-Index Seite 8).
Ziele für Basis-Kompetenzen
Hier setzt die EU klare Ziele: 2025 sollen 60 Prozent und 2030 sogar 80 Prozent der Bevölkerung über die Kenntnisse verfügen. Müllers Prognose für Deutschland 2030 liegt nur bei 57 Prozent. Deshalb sei eine Digitalkompetenzoffensive mit messbaren Zielen und deren Überprüfung notwendig. Weiter müsse an einer positiveren Vermittlung der persönlichen Vorteile der Digitalisierung gearbeitet werden, da der Prozentwert wieder auf das Vor-Corona Niveau abgesunken sei. Dazu müssten auch Arbeitgeber sensibilisieren und qualifizieren, die Teilhabe von bisher benachteiligten Menschen müsse ermöglicht und die Experimentierfreude mit KI gefördert werden.
Revolution am Arbeitsmarkt
„Wie gelingt es ‚human friendly?‘, fragte Stefan Latuski von der Bundesagentur für Arbeit in seinem Vortrag „Zukunft der Arbeit – die Revolution am Arbeitsmarkt durch KI und Automatisierung“. Er gab einen Überblick über die Arbeitsmarktzahlen. So gehen bis Ende 2027 4,1 Millionen Menschen in den Ruhestand, 4,84 Millionen Menschen kommen neu dazu. Allerdings werden bis 2035 bereits 7,5 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Bis 2040 werde sich die Branchen- und Berufsstruktur stark verändern. Nach einer Studie von 2019 arbeiten 34 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in einem Beruf mit hohem Substituierungsanteil durch KI. KI dürfe aber nur als Hilfestellung und nicht für eine automatisierte Entscheidung eingesetzt werden.
Von den Boomern bis Gen Z
In der abschließenden Paneldiskussion „Bridging the Gap – was bedeutet die Transformation des Arbeitsmarktes für Boomer*innen bis Gen Z?“ mit Tech-Gründerin Nour Idelbi, Stefan Latuski, Martin Vesper vom D21-Vorstand und Cawa Younosi, „Human Ressource“-Experte, also Fachmann für Personalmanagement, war man sich beim erforderlichen lebenslangen Lernen einig. Nour Idelbi, gleichzeitig auch Jugendbeauftragte der Stadt Münster, merkte an, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Gesellschaften ein „altes“ Land sei. Dies merke man am überholten Schulsystem, wo die Entscheidungsträger auch die Blockierer seien.
Vesper forderte eine Transformation über die Generationen. Die nun in Rente gehenden Babyboomer sollten ihr Wissen nicht nur an die nächste Generation weitergeben, sondern auch für KI zur Verfügung stellen. Und die nachfolgende Generation müsse auf die Führungsrolle vorbereitet werden. In Japan sei dies nicht gelungen, so Vesper, und die Volkswirtschaft deshalb abgerutscht.
Younosi merkte an, dass es bei vielen Firmen es an einem langfristig ausgerichteten Personalmanagement fehle. Den Menschen müsse man Zeit und Raum geben, um die Qualifizierung zu verarbeiten. Für Latuski ist der Einsatz von KI zwingend erforderlich, um die wirtschaftliche Leistungsfähigkei zu erhalten, auch in der Landwirtschaft und trotz Klimawandel. Soziale Medien seien nicht das Hauptthema für Künstliche Intelligenz.
Ulrich Bareiß
DVPI und mti Ingolstadt
Initiative D21
https://initiatived21.de/
D21-Digital-Index 2023/24
https://kurzelinks.de/uvo0