Whistleblowing rechtfertigt keine Kündigung

16.05.2024

Erstattet ein Beschäftigter wegen Unregelmäßigkeiten im Betrieb eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber, darf deshalb keine Kündigung erfolgen. Richteten sich die Vorwürfe direkt gegen den Arbeitgeber, sei mit einer Aufarbeitung der Probleme im Betrieb nicht zu rechnen, entschied das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern. Im Einzelfall könne das Arbeitsverhältnis jedoch gegen Abfindung aufgelöst werden.

Im konkreten Fall hatte die zweite Vorsitzende eines Vereins, der sich um Kinder und Jugendliche mit Missbrauchserfahrungen und besonderem Betreuungsbedarf, Strafanzeige gegen den Verein wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten erstattet. Sie hatte im Papierkorb des Mailfachs mehr als 700 Bestellungen der ersten Vorsitzenden des Vereins bei Amazon entdeckt, die sie dem Vereinszweck nicht zuordnen konnte. Daraufhin erhielt sie vom Verein eine außerordentliche und zwei ordentliche Kündigungen. Zudem bot der Arbeitgeber eine Abfindung an, um das Arbeitsverhältnis aufzulösen.

Dagegen klagte die zweite Vorsitzende – und erhielt Recht. Das Landesarbeitsgericht erklärte die Kündigungen für unwirksam. Hat sich ein Arbeitgeber strafbar gemacht, nimmt ein Beschäftigter staatsbürgerliche Rechte wahr, wenn er die Staatsanwaltschaft einschaltet. In der Regel kann nicht von einer Pflichtverletzung die Rede sein, die eine Kündigung rechtfertigt. Allerdings entschied das Gericht auch, dass in diesem Einzelfall das Arbeitsverhältnis gegen angemessene Abfindung aufzulösen sei.  Dafür müssen Gründe vorlegen, die „eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit“ nicht erwarten lassen. Das Gericht befand, das Verhältnis zwischen der Klägerin und den Vertretern des Vereins sei durch eine persönliche Feindschaft und den internen Machtkampf geprägt. Der Klägerin wurde eine Abfindung von 9.000 Euro zugesprochen.

Für besseren Schutz von Whistleblowern ist im Sommer 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft getreten. Es soll Beschäftigte vor arbeitsrechtlichen Sanktionen bewahren, wenn sie Rechtsverstöße melden. Schließlich nehmen sie oft Missstände in Unternehmen und Behörden als erste wahr und können durch ihre Hinweise dafür sorgen, dass Unregelmäßigkeiten aufgedeckt, untersucht und verfolgt werden. Damit übernehmen sie Verantwortung für die Gesellschaft und verdienen Schutz vor Benachteiligung.

LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 15.08.2023, Az. 5 Sa 172/22

Whistleblowing ist kein Kündigungsgrund (bund-verlag.de)