Um die Lasten der Coronakrise etwas gerechter zu verteilen, wird der Ruf nach einer einmaligen Vermögensabgabe laut. Doch das wird nicht reichen: Die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik (AAW) fordert eine grundlegende sozialökonomische Wende in Deutschland.
Mit ihrem Memorandum legt die Gruppe einen Gegenentwurf zum neoliberal orientierten Jahresgutachten der sogenannten fünf Wirtschaftsweisen vor. Die Wissenschaftler*innen und Gewerkschafter*innen verweisen darin darauf, dass der Konjunktureinbruch 2020 mit knapp fünf Prozent pandemiebedingt zum zweitgrößten Wachstumsrückgang nach dem Zweiten Weltkrieg führte. Interessant ist ihrer Meinung nach zu beobachten, dass lediglich in Krisenjahren – also wenn das marktliberale System versagt – der Ruf nach staatlicher Intervention unüberhörbar sei. „Jetzt muss der Staat her und das Schlimmste verhindern.“
Die von Neoliberalen in die Verfassung geschriebene Schuldenbreme müsse wegen der „außergewöhnlichen Notsituation“ (Art. 115 GG) ausgesetzt werden. Steuereinnahmen brechen weg, Staatsausgaben steigen stark – und zwingen zum Einsatz staatlicher Kredite. Die AAW betont, dass die Staatsverschuldung von 59,6 Prozent in 2019 auf 71,2 Prozent des nominalen Bruttoinlandprodukts (BIP) in 2020 anstieg. Als Folge der Coronapandemie werde bis 2023 eine Staatsverschuldung von über 420 Milliarden Euro erwartet. „Die AAW sieht hierin für Deutschland kein Problem“, sagt Professorin Mechthild Schrooten von der Hochschule Bremen.
Die Gruppe verweist darauf, dass auch die niedrigen Zinsen nicht das Problem seien, „sondern vielmehr die 1997 ausgesetzte Vermögenssteuer und völlig unzureichende Erbschaftsteuersätze.“ In Deutschland gebe es gut 6,7 Billionen Euro Geldvermögen, das in den letzten Jahren – auch während der Pandemie – kontinuierlich gestiegen und hoch konzentriert verteilt sei. Deshalb fordert die AAW die sofortige Wiedereinführung einer jährlich zu erhebenden Vermögenssteuer und die Erhöhung der Erbschaftssteuersätze. Speziell zur Finanzierung der Tilgung der Corona-Schulden drängt sie zudem auf die Erhebung einer einmaligen, auf mehrere Jahre verteilten Vermögensabgabe. Diese Abgabe sei schon aus Solidaritätsgründen zur gerechten Corona-Lastenverteilung unumgänglich.
„Das wird aber nicht ausreichen“, so die Gruppe weiter. „Es geht nicht nur um eine kurzfristige – konjunkturelle – Pandemiebekämpfung. Nein, es geht um viel mehr.“ Die AAW fordert eine grundlegende sozialökonomische Wende in Deutschland. Dazu bedarf es ihrer Meinung eines langfristig angelegten Investitionsprogramms in Höhe von 120 Milliarden Euro jährlich über mindestens zehn Jahre. Eine staatliche Zukunftspolitik muss sich ihrer Meinung nach konzentrieren auf: Eingriffe in die Machtstrukturen, die Abschaffung der Schuldenbremse sowie eine gerechtere Steuerpolitik, zu der neben der Vermögenssteuer eine Reform der Einkommens- und Unternehmensbesteuerung sowie eine strikte Bekämpfung von Steuerkriminellen gehört. Nicht zuletzt brauche es endlich auch eine Wirtschaftspolitik, die für Vollbeschäftigung sorge, betont die Ökonomengruppe. Anders werden sich ihrer Ansicht nach die vielfältigen Verteilungsprobleme und das bestehende Prekariat nicht auflösen lassen.
Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik
MEMORANDUM 2021
Corona – Lernen aus der Krise!
Alternativen zur Wirtschaftspolitik
Neue Kleine Bibliothek 301
306 Seiten, € 18,90 [D]
ISBN 978-3-89438-755-6