Das Bundeskabinett hat heute, 24. Juli, einer „Wasserstoff-Import-Strategie“ zugestimmt, die genug Wasserstoff beschaffen soll, um diesen auch in Kraftwerken als Backup-Strategie zu den erneuerbaren Energien nutzen zu können. Der Bundesrechnungshof hat die Pläne der Bundesregierung allerdings als überdimensioniert bezeichnet und Korrekturen gefordert. Das Science Media Center hatte zu der Wasserstoff-Frage und den Importmöglichkeiten drei Experten eingeladen, die ihre Skepsis gegenüber den Regierungsplänen nicht verhehlten.
Die Wasserstoff-Import-Strategie ist nach Ansicht von Felix Matthes vom Öko-Institut - Co-Vorsitzender des nationalen Wasserstoffrats, aber an der Ausarbeitung der Strategie nicht beteiligt - eigentlich ein Informations-Instrument ins Ausland. Sie soll signalisieren, dass Deutschland den möglichen Lieferländern Verlässlichkeit und Zahlungskraft bieten könne, denn noch ist Wasserstoff eine sehr teure Energie. Dabei, so Jakob Wachsmuth vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe, kämen für Deutschland als geographisch günstige Lieferländer für Wasserstoff per Pipeline Skandinavien, Spanien und andere Mittelmeerländer sowie Nordafrika in Frage. Für Wasserstoff-Derivate wie Ammoniak werde es dagegen einen weltweiten Markt geben, da diese gut verschifft werden können.
Deutschland gehört neben Benelux, Japan und Südkorea zu den Ländern, die ganz wesentlich vom Import von Wasserstoff (H2) abhängen werden. Um ausreichend grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu produzieren, sei Deutschland geographisch zu klein, meinte Wachsmuth. Matthes schätzt die notwendige Importquote nicht auf etwa 50 Prozent wie die Regierung, sondern sieht sie eher bei mehr 75 Prozent.
"Sozialvertrag mit lokaler Bevölkerung"
Einen Zielkonflikt sieht Tilman Altenburg vom German Institute of Development und Sustainability (IDOS), auch Mitglied im nationalen Wasserstoffrat, in der Importfrage aus den Lieferländern mit Kolonialerfahrung. Diese wollten nicht mehr den reinen Rohstoff liefern, sondern erste Verarbeitungs- und Wertschöpfungsschritte im eigenen Land aufbauen. Um in diesen Ländern an Akzeptanz zu gewinnen, „bräuchte man eine Art Sozialvertrag mit der lokalen Bevölkerung“.
Außerdem fehlt Altenburg in der Wasserstoff-Import-Strategie der Hinweis, dass der Wasserstoff nur in den Bereichen genutzt werden soll, wo er dringend gebraucht wird, nämlich in der Industrie, in der Schiff- und Luftfahrt und im Schwerlastverkehr. In privatem Auto als E-Fuel oder im Heizungskeller habe Wasserstoff nicht zu suchen, waren sich die Experten einig, noch dazu sei die Energieeffizienz bei Pkws fünfmal schlechter als in E-Autos.
Für Matthes läuft jetzt nach 1990 und Anfang der 2000er Jahre der dritte H2-Hype, diesmal allerdings mit dem Ziel der Klimaneutralität. Allerdings schätzt Matthes die zugesicherten Finanzen für den Import von H2 von gesicherten rund acht Milliarden Euro als zu niedrig an, um die gesteckten Ausbauziele einer Wasserstoffwirtschaft zu erreichen. Dafür brauche es das Doppelte bis Dreifache. Außerdem so Matthes, hielte er es für sinnvoller, dass der Staat nicht als Import-Vermittler auftrete, sondern besser kommerziellen Importeuren Ausfallbürgschaften garantiere. Auf jeden Fall solle man bei der Entwicklung der Elektrolyse-Anlagen nicht den gleichen Fehler machen wie bei der Photovoltaik. China könne auch bei Elektrolyseuren die europäischen Preise unterbieten.
Susanne Stracke-Neumann