Faktencheck zur Tarifrunde Druckindustrie 2024

15.05.2024

ver.di-Tarifinfo

In Tarifrunden gibt es immer mal wieder arbeitgeberseitig Gerüchte und Behauptungen, die bei genauerer Betrachtung nicht den Fakten entsprechen. Manchmal entstehen sie durch das Weitergeben von Informationen in einer Art Stille-Post-Spiel, manchmal werden Verhandlungsstände unterschiedlich interpretiert und manchmal werden bewusst Halbwahrheiten gestreut, um die Kolleginnen und Kollegen zu beeinflussen. Wir wollen heute - mit Stand 15. Mai 2024 - einen Blick auf einige Behauptungen werfen und ihnen Fakten entgegenstellen.

Behauptung:

ver.di blockiere die Tarifverhandlungen, weil die Gewerkschaft nicht bereit sei von ihrer Forderung nach 12 Prozent mehr Lohn und Gehalt abzurücken.

Fakt ist:

Das ist falsch. Die Forderung nach 12 Prozent mehr Lohn und Gehalt ist nicht aus der Luft gegriffen. Sie ist nach intensiver Diskussion in der Tarifkommission entstanden. Grundlage war eine breit angelegte Beschäftigtenbefragung in den Druckbetrieben und mit Blick auf die Inflationsraten der vergangenen Jahre ist sie auch mehr als berechtigt.

Doch wir alle wissen: Am Ende einer Tarifverhandlung steht immer ein Kompromiss. Das hat die ver.di-Verhandlungskommission auch von Anfang an deutlich gemacht. Im Rahmen eines solchen Kompromisses gibt es verschiedene Stellschrauben, wie zum Beispiel die Laufzeit des Tarifabschlusses, Zeitpunkt der Tariferhöhung, ggf. einzelne Erhöhungsschritte. Grundlage für wirklich zielführende Gespräche ist allerdings ein verhandlungsfähiges Angebot der Arbeitgeberseite. Auch nach der vierten Verhandlungsrunde am 07. Mai 2024 ist das Angebot des Bundesverbandes Druck und Medien (BVDM) unverändert: 2,0 Prozent zum 01. Juni 2024 und 1,0 Prozent zum 01. Juni 2025. Diese Werte liegen z.T. deutlich unter der aktuellen bzw. prognostizierten Inflationsrate für dieses und kommendes Jahr. Die Folge wäre also weiterer Reallohnverlust für die Beschäftigten in der Druckindustrie. Alles in allem ein Angebot, das nicht einmal im Ansatz verhandlungsfähig ist. Die ver.di-Verhandlungskommission hat wiederholt ihre Verhandlungsbereitschaft betont. Wir sind bereit über die Laufzeit und die Erhöhungsschritte zu sprechen – wohlwissend, dass am Ende nicht 12 Prozent das Verhandlungsergebnis sein werden. Genauso wenig werden es drei Prozent sein. Der Ball liegt bei den Arbeitgebern.

Behauptung: Die Arbeitgeber hätten ver.di bereits deutlich höhere Lohnsteigerungen angeboten.

Fakt ist:

Das ist falsch. Das Angebot des BVDM liegt bei unrealistischen 3,0 Prozent.

Behauptung:

Die Arbeitgeber wollen die Ausbildungsvergütungen überproportional erhöhen, um die Attraktivität der Branche zu steigern und den Fachkräftebedarf zu sichern.

Fakt ist:

Ja, diese Aussage ist in der vierten Verhandlungsrunde von der Arbeitgeberseite gemacht worden. Dem haben wir auch nicht widersprochen, denn letztendlich wäre dies auch eine pure Notwendigkeit mit Blick auf die Zukunft der Druckindustrie. Wenn die Branche für junge Menschen attraktiv sein soll, müssen die Arbeitsbedingungen und besonders die Bezahlung stimmen. Eine gute und fundierte Ausbildung in der Druckindustrie unterstreicht zudem eine weitere wichtige Forderung von ver.di: Den Erhalt des Facharbeiterschutzes. ver.di wird sich diesem Weg nicht verschließen. Nachdem die Arbeitgeber in der ersten Verhandlungsrunde behauptet hatten, sie müssten sich bei den Ausbildungsvergütungen nicht hinter denen der Papier-, Pappe-, Kunststoffe verarbeitenden Industrie (PPKV) verstecken, hat die ver.di-Verhandlungskommission in der zweiten Verhandlungsrunde die Tabelle der Ausbildungsvergütungen in der PPKV vorgelegt. Diese macht deutlich, dass hier deutlich höhere Ausbildungsvergütungen gezahlt werden als in der Druckindustrie. Daher begrüßen wir, dass der BVDM an dieser Stelle anscheinend eine Erkenntnis hatte und nun die Ausbildungsvergütungen deutlich anheben will. Allerdings muss auch gesagt werden, dass der BVDM bisher nicht beziffert hat, wie eine überproportionale Erhöhung der Ausbildungsvergütung ihrer Ansicht nach aussehen soll. Es fehlt also noch ein entscheidender Schritt. Sie haben weder Prozente noch einen Festbetrag hierzu genannt. Im Moment wäre also „überproportional“ zum Beispiel bereits 3,1 Prozent.

Behauptung:

Die Arbeitgeber hätten eine Lohnerhöhung in Form eines Festbetrages angeboten. Davon würden insbesondere die unteren Lohngruppen profitieren, die vergangene Preissteigerungen deutlich gespürt haben. ver.di habe eine Festbetragserhöhung abgelehnt.

Fakt ist:

Das Denkmodell einer Festbetragserhöhung ist in der vierten Verhandlungsrunde am 07. Mai 2024 vom BVDM eingebracht worden. Hier müssen allerdings einige Punkte berücksichtigt werden: 

  • Die Systematik der Lohngruppen in der Druckindustrie beruht auf im Lohnrahmentarifvertrag festgelegten prozentualen Werten des Facharbeiter-Wochenecklohns. So liegt z.B. die Lohngruppe I bei 80 Prozent des Wochenecklohns, die Lohngruppe V bei 100 Prozent, die Lohngruppe VII bei 120 Prozent. Diese Systematik macht es nicht ganz unkompliziert alle Lohngruppen um den gleichen Festbetrag zu erhöhen. Nichtsdestotrotz hat die ver.di-Verhandlungskommission deutlich gemacht, dass dieser Weg denkbar ist - wenn das Volumen der Erhöhung stimmt.
  • Wie auch bei der Ausbildungsvergütung haben auch hier die Arbeitgeber ihre Gedankengänge bisher nicht konkret beziffert. Mit Stand der vierten Verhandlungsrunde ist unklar, ob eine Festbetragserhöhung das bisher angebotene Gesamtvolumen einer Tariferhöhung von drei Prozent überschreiten würde.
  • Eine Festbetragserhöhung soll insbesondere den untersten Lohngruppen zugutekommen. Schaut man sich jedoch die Realität in den Druckbetrieben an, dann findet man kaum noch Beschäftigte in diesen Lohngruppen. Vielfach werden diese Tätigkeiten durch Fremdfirmen oder Leiharbeitnehmer*innen erledigt. In der Wirkung also eher eine Nebelkerze als eine tatsächliche soziale Wohltat.

Teilweise wird behauptet, dass ver.di eine Festbetragserhöhung abgelehnt habe, weil die Mitglieder sich eher in den höheren Lohngruppen befänden. Das ist falsch. Die Verhandlungskommission hat lediglich auf die Beschäftigtenstruktur verwiesen, was natürlich auch Auswirkungen auf die Mitgliedschaft hat. Die Behauptung, ver.di würde sich nicht um die unteren Lohngruppen kümmern, trägt nicht: ver.di kümmert sich um alle Mitglieder. Die ver.di-Verhandlungskommission hat eine Erhöhung um einen Festbetrag nicht abgelehnt. Doch klar ist: Ein etwaiger Festbetrag muss hoch genug sein. Bei dem Volumen von drei Prozent für 24 Monate, das derzeit auf dem Tisch liegt, ist das nicht der Fall.

 

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