Liebe Kollegin, lieber Kollege.
die Streikenden des Bundesanzeiger Verlages in Köln wenden sich an Euch, um über ihren Arbeitskampf zu informieren und Eure Solidarität zu erbitten. Wir befinden uns seit dem Frühjahr dieses Jahres in Auseinandersetzung um einen Tarifvertrag und streiken bereits seit 70 Tagen. Da die meisten Medien über den Fall, der grundlegende Rechte aller Beschäftigten betrifft, nicht oder nur sporadisch und oberflächlich informieren, setzen wir Euch mit diesem Brief direkt in Kenntnis über unseren Konflikt mit der Geschäftsführung und der Leitung des Kölner DuMont-Konzerns.
Der Bundesanzeiger ist ein juristischer Fachverlag mit ca. 900 Beschäftigten (incl. einer wechselnden aber immer hohen Zahl an Kolleginnen und Kollegen aus Zeitarbeitsfirmen). Viele von uns haben darüber hinaus lediglich zeitlich befristete Arbeitsverträge, die nicht selten ohne Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis auslaufen. Immer wieder werden KollegInnen als ZeitarbeiterInnen eingestellt, nach vielen Monaten zeitlich befristet übernommen, um dann nach 2 Jahren arbeitslos gemacht zu werden.
Seit Jahrzehnten lehnte sich die Geschäftsführung des Verlages (der übrigens seit 75 Jahren im öffentlichen Auftrag und durch öffentliche Aufträge existiert) an den Tarifvertrag der Druckindustrie an, d.h. sie hielt ihn früher weitestgehend ein und übertraf ihn in einigen Details. Seit Jahren allerdings beschädigt sie diese Basis, vor allem dadurch, dass sie einen großen Teil der neueingestellten Kolleginnen und Kollegen, viel zu schlecht eingruppiert und diese Eingruppierung oft auch nach Jahren nicht ändert.
Vor allem diese systematische Lohndrückerei aber auch der riesige Anteil prekär Beschäftigter (Leiharbeit und zeitlich befristete Arbeitsverhältnisse) haben uns dazu bewogen, die Geschäftsführung aufzufordern, in Verhandlungen über einen Tarifvertrag einzutreten.
Diese legitime Forderung der gewerkschaftlich organisierten Kolleginnen und Kollegen, die auch von vielen Unorganisierten unterstützt wird, wurde glatt und kalt verweigert: Mit ver.di gibt es laut Aussage der Geschäftsführung keinerlei Verhandlungsbereitschaft! Wir stehen deshalb seit vielen Wochen immer wieder im Streik.
Eigentümer des Bundesanzeiger Verlages ist der Kölner Konzern M.DuMont-Schauberg, der immer wieder dadurch auf sich aufmerksam macht, dass er gnadenlos Arbeitsplätze abbaut und die Druckerei seiner Zeitungen in einen tariflosen Betrieb nach Koblenz verlagert hat. Starke Betriebsräte und Gewerkschaften stellen für den Konzern und seine Strategie der Gewinnsteigerung um jeden Preis ein großes Hindernis dar.
Die mit der Verweigerung von Tarifverhandlungen beabsichtigte Schwächung der Gewerkschaft, der Interessenvertretung aller abhängig Beschäftigten, stellt für uns alle eine große Gefahr dar. Gelingt es den Unternehmern, die Gewerkschaften aus den Betrieben zu drängen, haben wir nur noch unsere Betriebsräte – dass deren Mittel der Interessenvertretung gesetzlich eng begrenzt sind, wissen sie selbst am besten. Streiks, um unsere Rechte durchzusetzen, würden unmöglich. Unser Kampf beim Bundesanzeiger hat damit eine Bedeutung, die weit über den konkreten Betrieb hinausgeht.
Wir bitten Euch deshalb, Eure Kolleginnen und Kollegen über unsere Auseinandersetzung zu informieren und bei der Geschäftsführung des Bundesanzeigers gegen deren respektlosen Umgang mit uns zu protestieren. Die E-Mail-Adresse lautet:
geschaeftsfuehrung@bundesanzeiger.de
Natürlich freuen wir uns aber auch (und umso mehr) über Solidaritätsbekundungen von Euch. Diese könnt ihr per Mail an ingo.weerts@verdi.de schicken.
Vielen Dank und herzliche kollegiale Grüße
Eure Streikenden aus dem Bundesanzeiger Verlag
Folgt uns gerne auch über die Sozialen Medien!
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