Die Aufmerksamkeit für die Weltklimakonferenz (United Nations Framework Convention on Climate Change, 28th Conference of the Parties COP 28) ist hoch, trotz der vielen anderen Krisen und Kriege, resümierte Silvio Wenzel aus der Redaktion des Science Media Center (SMC), denn 38.000 Anmeldungen gab es schon Wochen vorher für die Konferenz im Wüstenstaat der Vereinigten Arabischen Emirate in Dubai, die am 30. November beginnt. Bis zum 12. Dezember tagen hier - inzwischen rund 70.000 angemeldete - Politiker*innen und Expert*innen, Lobbyist*innen, Aktivist*innen und Delegierte aus besonders von der Erwärmung betroffenenen Ländern wie den Inselstaaten im Pazifik, die schon um künftiges Klima-Asyl in Australien verhandeln. Im Plenum wie in vielen kleinen und größeren Runden wird um Ziele und Worte gerungen werden bis zu einer - hoffentlich - gemeinsamen Abschlusserklärung
Zum digitalen Vorgespräch hatte SMC Niklas Höhne, Leiter und Geschäftsführer des New Climate Institutes und Professor für Mitigation of Greenhouse Gas Emissions an der Wageningen Universität in den Niederlande, Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik beim Öko-Institut in Berlin und Professor Reimund Schwarze, den Leiter der Arbeitsgruppe Klimawandel und Extremereignisse im Department Ökonomie des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig an die Bildschirme gebeten.
Climate Action Tracker
Von Höhne wollte Wenzel wissen, wieso der Climate Action Tracker kürzlich von einer prophezeiten Erwärmung auf 2,7 Grad Celsius plötzlich auf 2,8 Grad gestiegen sei. Das liege an den feiner eingestellten Modellen, so Höhne und führte aus, dass die Erde mit den bisher umgesetzten Umweltschutzmaßnahmen bei 2,3 Grad plus landen würde: "Das wäre katastrophal", meinte der Klimaforscher. Aber wenn alles, was weltweit an Maßnahmen versprochen worden sei, auch wirklich gemacht würde, "wären wir unter zwei Grad". "Wenn wir bei den jetzt vorgenommenen Zielen bleiben, können wir sogar die 1,5 Grad schaffen", die bei der COP in Paris als Ziel ausgegeben wurden. Manches gehe nämlich schneller als gedacht, meinte Höhne aufmunternd, zum Beispiel der Ausbau der erneuerbaren Energien. Was die Energieeffizienz und die Transformation der Wirtschaft angehe, hinke man aber den Plänen hinterher.
Dass die politische Lage für die Weltklimakonferenz besonders herausfordernd sei, räumte Schneider ein, doch den meisten Staaten sei klar, "dass wir das Problem ([des Klimawandels] lösen müssen. Dazu wird eine globale Bestandsaufnahme eine der wichtigsten Aufgaben sein." Es gebe zwar viele Differenzen, aber auch die deutliche Absicht voranzukommen, schätzte Schneider, Mitglied der EU-Verhandlungskommision, die Situation für Dubai ein.
Loss and Damages
Der Climate Fund, der die ärmeren Länder bei der Transformation unterstützen soll, hat bereits fast 90 Milliarden Dollar in seinem Topf, der auf 100 Milliarden anwachsen soll. Für Schwarze sind damit schon "wichtige Stolpersteine aus dem Weg geräumt". Das 100-Milliarden-Ziel werde erreicht, auch um die Schäden auszugleichen, die Wetterkatastrophen, die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, angerichtet haben. Stürme, Überschwemmungen, Dürre, weltweit sind diese Phänomene zu beobachten, deshalb wurde der Fonds für "Loss and Damages" eingerichtet. "Das ist ein ganz wichtiges Thema für die Glaubwürdigkeit", gerade der Indsutriestaaten, sagte Schwarze.
Bilanz ohne Schönrechnen
Und was wäre ein echter Erfolg der COP in Dubai? Für Höhne ist es wichtig, dass der vorhandene öffentliche Druck so hoch bleibt, dass sich Politiker*innen nicht trauen, ohne Ergebnis nach Hause zu kommen. Außerdem müsse es eine "klare Ansage" geben, "dass das Ende der fossilen Energien kommt". "Die Welt müsste endlich die Notfallsituation erklären", fordert Höhne, ist aber skeptisch, dass dies zu erreichen ist. Schneider fordert möglichst konkrete Einzelentscheidungen zu Deckelungen bei bestimmten Stoffen und Gasen. Die Milliarden aus dem Loss-and-Damages-Fund müssten wirklich eingesetzt werden und eine Bilanzierung des Erreichten bei allen 190 Staaten so ausgeübt werden, "dass sich Länder nicht schönrechnen können".
Hoffen auf offene Atmosphäre bei der Konferenz
Schwarze plädierte für neue quantifizierte kleine Ziele für den Global Climate Fund, nicht solche in ferner Zukunftz angesiedelt. Ansonsten hofft er auf eine offenere und inklusivere Atmosphäre, wo Demos nicht mit Polizeigewalt unterdrückt werden wie im vergangenen Jahr im ägyptischen Sharm-el-Sheikh.
Susanne Stracke-Neumann